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Schlachtfest im Staatsrevier?

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Jagd im Wandel. Romantisches Weidwerk scheint immer häufiger nackten Zahlen zu weichen. Besonders im Staatswald. Welche Erfahrungen betroffene Jäger gemacht haben, lesen Sie in der DJZ 04/2015 ab S. 27. Weitere Leserzuschriften finden Sie hier…

 

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Dr. R. Diller aus Nerkewitz:
Seit einigen Jahren beobachte ich die Art und Weise der Durchführung der Bewegungsjagden im Staatsforst mit zunehmender Skepsis und Sorge. Die Skepsis bezieht sich auf die, nach meinem Dafürhalten, immer mehr zunehmende Missachtung jagdethischer Grundsätze. Sorge bereitet mir das in einer breiten Öffentlichkeit gezeichnete Bild was jagdliches Tun und Handeln betrifft.
Viele in den letzten Jahren von mir erlebte und beobachtete Erscheinungen wiederstreben dabei meinen seit frühester Jugend gereiften jagdlichen Grundüberzeugungen und Prinzipien. Aufgewachsen bin ich in einer von jagdlichen Traditionen geprägten familiären Umgebung in der thüringischen Rhön. Mein Großvater war Förster, mein Vater war Jäger und von Kindheit an waren Gespräche über Wald und Wild fester Bestandteil des Familienlebens. Als Beispiel dazu seien die beeindruckenden Wildschwein-Reportagen von Heinz Meynhardt in der Sendung „Waidmannsheil“ des DDR-Fernsehens genannt. Schon vor über 40 Jahren habe ich mit meinem Vater über die Sozialstruktur in einer Wildschweinrotte diskutiert.
Solcherlei Lektüre scheint heute Forstbediensteten, die in verantwortlicher Position tätig sind, dringend angeraten zu sein. Aber diese lassen, zu allem Überfluß noch den Ideen des ökologischen Jagdverbandes anhängend, lieber zu Bewegungsjagden antreten, in deren Verlauf 200 Schützen in wenigen Stunden eine Strecke von 300 Stück Wild machen. So geschehen am 12.12.2014 im Tautenburger Forst des Thüringer Forstamtes Jena-Holzland. In der oben genannten Stückzahl kamen Schwarzwild sowie Reh- und Damwild zur Strecke.
 
Warum über Sozialstruktur und Brunftsynchronisation in Schweinerotten sich Gedanken machen, wenn doch der Schädling Wildschwein den ganzen Sommer über in Quadratkilometer großen Maisfeldern es sich so richtig gut gehen läßt?!
 
Ein solcher Schädling hat nichts anderes verdient, als von Wachtelhunde-Meuten an Schützenketten vorbei gehetzt und auf jede erdenkliche Art und Weise zur Strecke gebracht zu werden. Die nach Tagen oder Wochen in den Nachbarrevieren gefundenen verluderten Stücke werden als ganz normaler „Kollateralschaden“ gar nicht zur Kenntnis genommen.
Ein Resultat solcher Jagdmethoden sind sicher die in den letzten Jahren zunehmend zu Un-Zeiten zu beobachtenden führenden „Überläufer-Bachen“ und in landwirtschaftlichen Kulturen plündernden Einzelgruppen. Hier schließt sich der Kreis im Hinblick auf die Sozialstruktur in einer Wildschweinrotte, die in den Reportagen von Heinz Meynhardt in so exzellenter Weise beschrieben wurde. Unkontrollierte Vermehrung bedingt durch hirnlose Jagdmethoden in Verbindung mit großflächigen Monokulturen sind die eigentliche Ursache für das vermeintliche Explodieren der Wildschweinpopulation.
Zu den Hinterlassenschaften dieser Jagd gehören auch Berge von Aufbrüchen, die bei Spaziergängern Unmut und Fragen hinterlassen. Bei 300 Stück Wild mit durchschnittlich 10 kg Aufbruch sind das immerhin 3 Tonnen Organe und Därme, die der Wald verstoffwechseln muss!
 
Die übergroße Mehrheit der mir bekannten Jäger lehnt diese Art des Betreibens der Jagd mit dem Hauptzweck des Füllens öffentlicher Kassen ab. Das Gleiche gilt für den zunehmenden Holz-Raubbau am Wald. Die Buchen, die mein Großvater vor 100 Jahren von einer ihm unterstehenden Brigade von Pflanzfrauen in mühevoller Arbeit hat pflanzen lassen, werden heute zugunsten der Thüringer Staatskasse geschlagen und vermarktet. Ob das bei der heutigen Praxis des Waldbaus in 100 Jahren auch noch so sein wird – daran habe ich meine Zweifel, denn mir ist nicht bekannt, dass im Thüringer Staatsforst irgendwo noch ein Baum gepflanzt wird.
 
M. Butz aus Neuburg:
Bei einem Besuch in Thüringen bin ich und mein Partner indirekte Zeugen einer am 12.12.14 im Tautenburger Forst stattgefundenen Jagd des Forstamtes Jena Holzland geworden: Am 13.12.14 haben wir auf den dortigen Wanderwegen eine Unmenge (entlang unserer Wegstrecke), ca. 8 bis 10 Haufen Gedärm und Teile von toten Tieren gefunden. Den Sachverhalt hat mein Partner bei dem zuständigen Veterinäramt Stadtroda und der Verwaltungsgemeinschaft Dornburg zur Anzeige gebracht.
 
Unsere Meinung zu dem Kommentar des Forstamtsleiters: Zirka 200 erlegte Tiere (nach Rückfragen im Bekanntenkreis eher 300 Stück Wild) ergeben nach einfacher Rechnung (ca. 10 Kg pro Tier) 2.000 bis 3.000 Kilogramm Schlachtabfälle. Bei einem geplanten Massaker, dieser Größenordnung, ist eine zentrale Entsorgung planbar. Zum Beispiel gemeinsames Ausnehmen an einem festgelegten Platz mit Fäkalienentsorgung. Und bitte verzeihen Sie den Ausdruck „bitte keine Verarschung“. Greifvogel und Raubwild verbringen die Gedärme zu ausgewiesenen Wanderwegen!
 
W. Rehwald-Thim aus Oberhausen:
Im Zusammenhang mit Ihrem Aufruf zu Erfahrungen bei Forstjagden möchte ich kurz ein Erlebnis (Jagdjahr 2014) aus meinem Jagdgebiet schildern: Durch Zufall habe ich von einer vom Forstamt Marienberg/Sachsen angesetzten Drückjagd erfahren und mich daraufhin zu dieser Zelt in meinem angrenzenden Pachtbezirk grenznah aufgehalten um eine revierübergreifende Bejagung durch den Forst in meinem Gebiet zu vermeiden. Das schien mir notwendig, da es In der Vergangenheit mehrfach derartige Vorkommnisse gab.
 
Dabei wurde ich von einem Forstgast aufgefordert mich zu entfernen, damit er ein freies Schussfeld habe. Dieser Aufforderung bin ich nicht nachgekommen und erklärte ihm, dass ich mich auf meinem  Pachtgebiet befände. Daraufhin wurde ich von diesem Jagdgast mehrfach fotografiert und von ihm der Revierförster Herr Schubert zwecks Unterstützung telefonisch verständigt.
 
Auch dieser verlangte von mir, dass Schussfeld in meinem Jagdrevier für seinen Jagdgast zu räumen, da dieser ansonsten nicht schießen könne. (wohin? in mein Jagdgebiet? bergab ohne Kugelfang?} Auf Grund meiner Frage bezüglich Sicherheit und Kugelfang zog er den vom Forst angestellten Gast ab.
Mir blieb das Problem: Was wäre passiert wenn ich nicht vor Ort gewesen wäre, oder wenn mich der Schütze nicht gesehen und ahnungslos auf Wild geschossen hätte?
 
Vor einigen Jahren hat ein Forstgast, an gleicher Stelle, bei einer Drückjagd über die Grenze hinweg ein Rotwildkalb erlegt! Das Stück kam in unserem Revier auch zur Strecke. Der Staatsgast kam mit geschulterter Waffe und zog das Stück Richtung Staatsrevier. Als gemeldeter Jagdaufseher habe ich den „Wilderer“ gestellt. Bei Gericht wurde festgestellt es war nur versuchte Wilderei weil ich das Stück an mich genommen habe!
 
Ich habe wiederholt festgestellt, dass Sicherheitsfragen beim Forst offensichtlich eine untergeordnete Rolle spielen und ortsunkundige Gäste ohne konkrete Schussfeldvorgaben leichtfertig angestellt werden.
 
T. Knoll aus Dornburg-Camburg:
Man hat den Eindruck, dass es hier nur um Quote (Beute) geht und die meisten Teilnehmer an solchen “weidgerechten Jagden“ nicht wissen, was Weidwerk, weidgerecht jagen und Hege bedeuten. Da muss es einen nicht mehr verwundern, wenn es kaum noch Altersstrukturen beim Schwarzwild gibt.
 
Die meisten der Teilnehmer werden die Namen: Briedermann, Stubbe und Wagenknecht nicht kennen. Diese Großjagden erwecken den Anschein, dass jeder Jagdgast für ein Paar Euro sich so richtig in fremden Revieren austoben kann (viele mit Halbautomaten). Wo steuert das deutsche Weidwerk nur hin?
 


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